Statt der freitagsüblichen Kolumne kam mir gestern beim Fotos bearbeiten ein ganz anderes Thema in den Sinn, von dem ich denke, dass es Euch vielleicht/hoffentlich interessieren könnte.
Es ist ja so, dass diejenigen von uns, die ihre Kinder vor die Linse bekommen wollen, um beispielsweise etwas selbst Genähtes zu präsentieren, oft mit einer der folgenden Situationen konfrontiert sind:
1. Das Kind hat überhaupt und so gar keine Lust, auch nur eine Sekunde mitzumachen, wirft sich auf den Boden und schreit. Alternativ dazu verbarrikadiert es sich hinter seiner Zimmertür.
2. Das Kind weigert sich, die leider so überhaupt nicht zum Outfit passende Strumpfhose/Mütze/Kostümierung wenigstens für eine halbe Stunde auszuziehen. Oder aber das neue Kleid "IST TOTAL DOOF", ein anderer Stoff wäre viel schöner gewesen.
3. Hat man das Kind dann endlich vor der Linse, ist es zu nichts anderem in der Lage, als entweder a) grimmig zu kucken, b) die Schwester, die auch mit auf das Foto soll, zu verhauen oder c) wie ein Flummi in der Gegend herum zu springen/Ballett zu tanzen/sich schreiend auf den Boden zu werfen (siehe 1.).
In der Regel hat man dann zwei bis drei schlechte beleuchtete, verwackelte und völlig untaugliche Fotos im Kasten und die eigene Laune ist bis ins Kellergeschoss gesunken. Na klar, Ihr wisst schon, dass ich etwas übertreibe, aber Hand auf's Herz: bei wie vielen Punkten habt Ihr nicht nur gelacht, sondern wild genickt? ;-)
Nun muss ich ja erstens zugeben, dass ich sehr fotowillige Kinder habe und sich meine Probleme diesbezüglich eigentlich in Grenzen halten, dass ich zweitens bei weitem kein Fotoexperte bin und dass sich drittens auch meine Erfahrungen noch über keinen allzu langen Zeitraum erstrecken. Aber trotz allem weiß ich sehr wohl, wie es sich anfühlt, wenn man DRINGEND ein gutes Foto braucht (weil beispielsweise ein Abgabetermin vor der Tür steht) und einem schon beim bloßen Gedanken an das bevor stehende Shooting Schweißperlen von der Stirn tropfen. Zudem bin ich schon sehr oft gefragt worden, "wie ich es denn hinbekommen würde", dass meine Kinder so mitmachen, wie ich das will. Deswegen habe ich gestern also beschlossen, Euch heute an meiner Weisheit, die weder bindend, vollständig noch in irgendeiner Weise generell zu verstehen ist, teilhaben zu lassen ;-). Vielleicht hilft es ja dem ein oder der anderen...
Erzähl eine Geschichte: Thema und Kontext
Ich finde immer Bilder dann am interessantesten, wenn sie eine Geschichte erzählen. Damit meine ich allerdings nicht Fotostorys, wie man sie manchmal in irgendwelchen Teenie-Zeitschriften liest (obwohl, wenn ich so darüber nachdenke, hätte das doch auch mal was...). Oft reicht es schon, wenn man sich einen gewissen Rahmen überlegt, ein Utensil oder Hilfsmittel, welches mit auf das Foto soll (beispielsweise ein schöner alter Stuhl etc.). Toll sind auch abwechslungsreiche Hintergründe, die etwas Struktur ins Bild bringen (Holz, rohe Wände, Ziegel etc.): vielleicht wohnt man ja in der Nähe eines alten Schuppens, zu dem man einen kleinen Spaziergang machen kann? Oder hat eine Skaterbahn um die Ecke, auf der ein paar Graffitis aufgesprüht sind? Je spannender die Umgebung für die Kinder ist, umso mehr Lust mitzumachen haben sie in der Regel auch. Und die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass sie sich ganz natürlich dabei bewegen. Um mal bei meinen Beispielen zu bleiben: vielleicht gibt es um besagten Schuppen herum tolle Dinge zu erforschen und gerade kleine Kinder kann man dann während des Blumen pflückens, in den Schuppen spähend, hinter der Tür hervorlugend... beinahe schnappschussartig toll "in Szene setzen". Auf einer Skaterbahn lässt sich ja nicht nur prima mit Skateboard, Roller und Fahrrad seine Runden drehen, sondern auch die Rampen (vor allem mit Graffitis) an sich sind tolle Kulissen für coole, nicht mehr ganz so kleine Männer. Hochklettern, Springen, Posen - das geht dann meist von ganz allein!
Nun ist es natürlich nicht immer möglich, nach draußen zu gehen und es bleiben einem die eigenen vier Wände. Wichtig ist meiner Erfahrung nach immer genügend Platz. Man braucht nicht riesige leere Zimmer, aber eine Ecke, in der kein Möbel steht und auch sonst nichts an der Wand hängt, reicht vollkommen (Ihr hattet es ja
HIER gesehen: ich kenn da nichts - wenn der Platz nicht reicht, mache ich mir welchen :-D). Eine gute Ausleuchtung ist natürlich klar von Vorteil, aber das ist ein anderes Thema... Auch, wenn wir drinnen Fotos machen wollen oder müssen, überlege ich mir immer im Vorhinein: was passt von den Motiven, was möchte ich zeigen? Denn im Idealfall habe ich schließlich nicht nur das neu genähte Kleidungsstück gut fotografiert, sondern ein weiteres wunderschönes Bild für meine ganz private Familiengalerie. Als Utensil geht im Grunde alles, was greifbar und ganz wichtig: spannend! ist: Möbel, Geschirr, Spielzeug, Instrumente... Mir ist klar: auch hier ist es altersabhängig! Aber wenn der Prinz beispielsweise eine Runde auf Papas Bass zupfen kann, ist auch ein fast siebenjähriger Schuljunge bei der Sache!
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Und: action!
Die wichtigste Sache, die ich mittlerweile gelernt habe, ist: lass die Kinder selber machen! In der Regel habe ich sehr genaue Vorstellungen davon, wie die Fotos am Ende aussehen sollen, wie die Kinder schauen, welche Posen sie im Idealfall einnehmen müssen. Und klar: auch wenn meine Kinder manche Dinge auf Kommando machen (vor allem der Kobold) - da gibt es leider keinen Trick, sie machen es einfach :-D - kenne ich oben beschriebene Situationen auch. 30 Bilder hintereinander und alle sind verwackelt. Am Anfang habe ich regelmäßig die Krise geschoben, vor allem, wenn ich zeitlichen Druck hatte. Mittlerweile habe ich eben genau das gelernt: lass die Kinder machen. Lass sie Grimassen ziehen, hüpfen, verkleiden und mach dabei Fotos. Meine Kinder, vor allem die Mädchen, aber auch mein Sohn, sind sehr stolz, wenn ich ihnen auf dem Kamera-Display Fotos zeige, die sie selbst "komponiert" haben. Mittlerweile gehört es eigentlich zur Regel, dass ich Kommandos bekomme, ungefähr so: "Mama, ich mach jetzt so, fotografier mal!". Und das mach ich! Das heißt nicht, dass ich die Fotos dann auch zwingend für meinen Blog oder mein Projekt nehme, aber das ist eigentlich auch egal. Wichtig ist, dass die Kinder das Gefühl haben, sie entscheiden mit - sie sind Teil des Ganzen. Dann habe ich nämlich auch eine Verhandlungsbasis und kann sagen: pass mal auf, danach darf ich mir was wünschen. Und die Erfahrung zeigt: das klappt ziemlich gut! Und manchmal hat man am Ende Schnappschüsse auf der Kamera, die technisch unter Umständen eigentlich eher unbrauchbar sind, aber so viel Witz besitzen, dass sie dadurch wieder gut werden! Die Fotos, die ich Euch heute zeige, sind ein prima Beispiel dafür! In mir hatte sich seit einiger Zeit die Idee festgesetzt, mal Fotos zu machen, die an diese Automatenstreifen, wie es sie an Bahnhöfen gibt, erinnern. Eigentlich hatte ich etwas an gut Ausgeleuchtetes und Inszeniertes gedacht, was wie zufällig aussah. Herausgekommen ist allerdings das dabei. Fotos, die weder gut ausgeleuchtet noch besonders gut komponiert sind, aber ich saß gestern vor meinem Bildschirm und musste sehr viel, sehr laut lachen :-D.
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Pause, bitte!
Das, was ich immer wieder lese und höre, ist Folgendes: dass die Kinder einfach zu wenig Geduld haben und die Aufmerksamkeitsspanne mehr als gering ist. Da kann ich erstmal nur sagen: ja, das ist bei Kindern so. Aber! Wie bei anderen Dingen ja auch, Konzentration und Geduld kann man fördern. Damit meine ich jetzt nicht, dass die Kinder zwingend lernen müssen, vor der Kamera still zu halten. Nein! Ich meine damit, dass derjenige, der hinter der Kamera steht, für die richtige Zeit Sorge tragen muss - nämlich dann, wenn das Kind ausgeglichen und die Laune gut ist. Das gilt im Übrigen auch für den, der fotografiert. Schlechte Laune, extreme Müdigkeit, den Kopf mit allem anderen voll - wenn ich so fotografieren möchte, wird das Ergebnis in der Regel Mist! ;-) Und tatsächlich machen wir manchmal Pausen: wenn ich einfach länger brauche, wenn nochmals die Kulissen getauscht werden müssen oder wenn einfach keine Motivation mehr da ist.
Zeit ist ein wichtiges Stichwort! Wenn es nicht nur um einen Fünf-Sekunden-Schnappschuss gehen soll, ist das A und O, sich genügend Zeit einzuplanen und das Shooting anzukündigen. Ich habe selbst mehr als einmal den Fehler begangen, mir im Stress die Kamera zu schnappen, die Kinder anzublaffen, wir müssten jetzt Fotos machen, zack zack! Nun, Ihr könnt Euch wahrscheinlich ausmalen, was am Ende dabei rausgekommen ist. Mal abgesehen davon, dass ich das selber unfair finde - schließlich tun die Kinder ja mir einen Gefallen - bringt das nur Stress, schlechte Fotos und vielleicht sogar Tränen. Meine Kinder lehren mich ja jede Menge, zum Beispiel, dass sie einen ganz eigenen Zeitplan haben - den ich achten muss! Wenn sie also gerade spielen, dann sind sie mit etwas Wichtigem beschäftigt! Deswegen versuche ich, rechtzeitig anzukündigen, wenn ich Fotos machen möchte. Auch hier zeigt meine Erfahrung, dass das in der Regel gut klappt. Ich erkläre, dass ich die Fotos für meine Arbeit brauche, das verschafft dem Ganzen eine Ernsthaftigkeit, die die Kinder verstehen und auch respektieren.
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Ein Eis und fünf Smarties
Zum Schluss vielleicht die zwei wichtigsten Erkenntnisse: Bestechung ist etwas Gutes und Aufhören auch. Wenn die Kinder einfach keine Lust mehr haben, wenn einem selbst die Ideen fehlen, wenn sozusagen einfach der Pfiff fehlt, dann ist es oft am besten, man hört - zumindest - vorerst auf. Meine Erfahrung ist, dass gerade mit Kindern Fotos, die unter Krampf gemacht werden, auch wie Krampf aussehen. Und wer will das schon? :-) Lieber aufhören, eine Runde spielen, was ganz anderes machen - und später oder am nächsten Tag noch einmal probieren.
Und ja, ich besteche meine Kinder :-D. Man könnte auch von Bezahlung reden, denn schließlich sind solche Foto-Shootings Arbeit für die Kinder. Ihr erinnert Euch an meine Herbstfotos von
HIER oder die Spätsommer-Fotos von
HIER? Bei beiden Shootings habe ich den Kindern hinterher eine Belohnung versprochen, weil ich das Gefühl hatte, dass das ihnen und mir hilft, durchzuhalten. Noch komme ich mit Süßigkeiten, einem warmen Kakao und einer extra Folge Lucky Luke oder Shaun the sheep davon, aber ich habe mir auch schon Gedanken über das Thema Taschengeldaufstockung gemacht. Und das ist völlig legitim, finde ich, denn wir machen schließlich auch nicht gern einfach alles so umsonst, oder?
Noch ein Tipp: wenn die Kinder keine Lust haben, man die Fotos aber einfach JETZT noch braucht, dann geht es auch ohne Modell. Aber auch hier finde ich Fotos besonders ansprechend, wenn die wie unter 1. erklärt, eine Geschichte erzählen. Wie wäre es mit einer Foto-Reihe? Oder ein Blick in den Kleiderschrank oder die Wäscheschublade? Auch ohne Lebendmodell gibt es durchaus ein paar spannende Möglichkeiten!
Und ansonsten gilt, wie bei allem: machen - immer drauf los fotografieren!
Wow, ganz schön viel geworden - ich staune selbst! Sicherlich gibt es noch mehr zu sagen - wenn Ihr Fragen habt oder Euch vielleicht noch etwas zu diesem wünscht, dann schreibt es gern in einem Kommentar hier drunter. Oder vielleicht habt Ihr selbst Erfahrungen, die Ihr gern weitergeben möchtet? Auch darüber freue ich mich - und andere sich er auch - sehr!
Habt einen tollen Start ins Wochenende,
Eure Carolin
Schnitte: Hoodie minikrea 30212, Mädchenshirt minikrea 50220, Kleid Ottobre kids 4/2013 Schnitt no.14, Jungs-Shirt Ottobre kids 1/2014 Schnitt no. 26, Kleid minikrea 30003
Material: alle Jerseys und Bündchen (außer das hellgrüne), sowie melierter Sweat von Lillestoff, Sommersweat über bonnybee